KLAPPENTEXT

„Unwahrscheinlich“, „unglaublich“ lauteten die Urteile über das erste Buch von Valentin Senger. In der „Kaiserhofstraße 12“ beschrieb er das, in der Tat für unmöglich gehaltene Überleben einer jüdischen Familie in Frankfurt während der zwölf Jahre des deutschen Faschismus. Als Deutschland befreit wurde, war Valentin Senger 26 Jahre alt: er hatte sein Leben noch vor sich.

Die Nachkriegszeit und die fünfziger Jahre sind das Thema von „Kurzer Frühling“, der nicht minder packenden und erstaunlichen Geschichte des Journalisten und Mitglieds der KPD. Aus seiner Sich, von unten also, aus der Perspektive derer, die aufzubauen hatten und doch schon wieder Verlierer waren, berichtet Valentin Senger über das Entstehen der beiden deutschen Staaten, die Korruption der Amtsinhaber, die Praktiken der amerikanischen Besatzungsmacht, das Wiedererstehen der Kommunistischen Partei. Er schreibt über den kleinen Beginn freien Lebens, die Hoffnungen und Wünsche derer, die den Faschismus überlebt und nun den Schutt deutscher Weltherrschaft zu beseitigen hatten. „Keine Zeit verlieren, Ärmel aufkrempeln und an die Arbeit gehen. Zuerst den alten Schutt beiseite räumen, den politischen wie den wirklichen. Wir hatten eine einmalige Chance.“ Sehr rasch wird er zum Außenseite einer sich formierenden Nachkriegsgesellschaft, Konflikte mit der Parteidisziplin folgen. Ist die Partei auf der einen Seite Heimat und Hoffnung, so wird sie bald zum Apparat, der bedingungslose Unterwerfung fordert. Lange war Valentin Senger konformes Mitglied, Mitarbeiter der „Sozialistischen Volkszeitung“, kritischer Journalist, ungeliebter Beobachter des Wiederaufbaus.

Er berichtet über die Machenschaften des Polizeipräsidenten, die Aktivitäten den amerikanischen Geheimdienstes in Frankfurt, deckt Zustände auf, die für das entstehende Westdeutschland typisch werden sollen. Er gerät in Konflikt mit den amtlichen Stellen, wird gemieden und beschimpft – hat aber noch die Partei, die jederzeit Rückhalt bietet. In den fünfziger Jahren nach Titoismuskampagne und dem zwanzigsten Parteitag der KPdSU kommt es zum Bruch. Noch nach dem Verbot der KPD wird er zu einem Verhör in das Ostberliner Haus der SED bestellt, zu einem Tribunal, das mit dem Parteiausschluss endet.

Nach den zwölf Jahren ständigen Versteckens, ständiger Lebensangst, gehört Valentin Senger zu den Unbequemen, ohne sich aber als Zeitkritiker zu stilisieren. Er will keine Geschichte der Nachkriegszeit schreiben, sondern den persönlichen Weg nachzeichnen, nicht „um einen Missliebigen verspätet eine Schelle anzuhängen“, sondern um zu zeigen, dass seine Erlebnisse stellvertretend für vieles in den ersten Jahren dieser Republik stehen können. Er belegt seine Erinnerungen, nennt Namen und Orte, verschweigt Zweifel nicht. Die Lektüre des „Kurzen Frühling“ unterstützt die These von Günther Grass, der von den fünfziger Jahren als den „Jahren der Fälschungen“ sprach.

Valentin Sengers Bericht reicht bis in die jüngste Vergangenheit. Er beschreibt das unvorstellbare Verhalten des hessischen und des Bundesinnenministers, die über Jahre zu verhindern wissen, dass der Staatenlose die deutsche Staatsbürgerschaft erhält. Noch zwanzig Jahre nach dem Parteiausschluss sehen die Minister die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet und verweigern Valentin Senger den Pass.

Der „Kurze Frühling“ erinnert an die Hoffnungen, die sich mit der Kapitulation verbanden, berichtet vom Traum einer besseren, sozialistischen Gesellschaft und von der „Trauer um einen verlorenen Traum“.