KLAPPENTEXT

8. November abends. Ein Trupp von Männern bringt nachts auf der Spitzebdes Frankfurter Doms eine Fahne an. Am nächsten Tag weht sie über den Dächern der Stadt und erinnert, woran die meisten nicht erinnert werden wolle: an einen erschossenen Demokraten.
Als Junge war Valentin Senger hingerissen von solchen Geschichten. Ihnfaszinierten diese Männer, und ihn begeisterte noch viel mehr, dass die letzten Meter hinausauf die Turmspitze offenbar der Großvater seines Schulfreundes geklettert war. Er kannte einen leibhaftigen Helden! Diesen Mut hätte er auch gerne besessen, besonders, als die roten Fahnen mit einem weißen Kreis und einem Hakenkreuz versehen wurden.
Als der Krieg zuende war und viele Fahnen erst einmal eingerollt wurden, verfolgten ihn bald neue Fahnen. Mit welch seltsamer Unterlage zum Beispiel hatte seine Freundin ihr Bett ausstaffiert: mit einer Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika, die ein GI gestohlen und bei ihr als Andenken hinterlassen hatte … Valentin Snger und die Fahnen – Geschichten über Geschichten! Komisch und berührend, und immer „von unten“ erzählt; die Arbeiterbewegung von unten, die Nazizeit von ganz unten, und die Wirtschaftswunderzeit – Valentin Senger erlebt auch sie als einer, der nicht dazugehört.
Nur sein Humor half ihm weiter, und so erzählt er uns auch heute seine unglaublichen Fahnengeschichten: mit Verwunderung, augenzwinkernd und, wenn es sein muss, mit bissigem Witz.