KLAPPENTEXT

»Als sich im März 1945 die Amerikaner der Stadt näherten, man konnte bereits deutlich den Donner der Kanonen von der Front hören, flüchtete ich — trotz meines Fleckfiebers — aus dem Fritzlaer Ursulinenldoster.« Mit dieser Flucht gehen für Valentin Senger zwölf Jahre der Angst zu Ende, als Jude und Kommunist entdeckt und mit seiner Familie deportiert zu werden. Auf einmal ist die Vorstellung von einem demokratischen, menschenfreundlichen Deutschland keine Fieberphantasie mehr. Doch die Überraschungen beginnen schon auf dem Weg nach Hause. Senger findet Unterschlupf bei drei Frauen, für die Zigeuner und Juden »das Letzte« sind. Und als der Heimkehrer dann in seiner Heimatstadt ankommt, erschrickt er über die Apathie in den Gesichtern: von Freude über das Kriegsende keine Spur. Im alltäglichen Überlebenskampf geht es zunächst nur um eines: wo ist etwas Essbares aufzutreiben? Senger hat Glück, dass ihn die Amerikaner als Bäderputzer einstellen. Dort kann er stehlen, was die Familie zum Leben braucht und was auf dem Schwarzmarkt abzusetzen ist. Die Jagd nach Ess- und Brennbarem verdeckt jedoch nicht, dass geistig schon wie-der aufgerüstet wird. Aus dem amerikanischen Erzfeind ist über Nacht der beste Freund geworden, und vom Massenmord an den Juden will niemand etwas hören. Ohnedies hat sich herausgestellt, dass die meisten Deutschen Widerstandskämpfer waren.

Senger erzählt aus der Perspektive von jemandem, der sich über die Niederlage der Nazis gefreut hat. Er muss jedoch schnell feststellen, dass sein Wille zum Neubeginn, seine Vorstellung von einem anderen Deutschland nur von wenigen geteilt werden, dass er bald wieder zu den an den Rand Gedrängten gehört, mit denen die neuen Demokraten nichts zu tun haben wollen. Sein ungewöhnlicher Bericht über die Nachkriegszeit wird damit auch zur Auseinandersetzung mit den verpassten Chancen nach 1945. Senger schreibt darüber mit der anschaulichen Genauigkeit des Zeitzeugen.